Der Flugbahnwagen war ein propellerangetriebenes, stromlinienförmiges Leichtbaufahrzeug, das an einer Schiene hängend, große Geschwindigkeiten erreichen konnte. Die Vorteile lagen auf der Hand: Man musste nicht mit viel Mühe durch die Luft fliegen, sondern fuhr an einem lückenlosen Gleis mit kleinen Einheiten in rascher Folge und hohen Geschwindigkeiten. Kruckenberg ging davon aus, daß 300 bis 350 km/h erreicht werden konnten.
Bald waren die Konstruktionszeichnungen und Berechnungen so weit fortgeschritten, dass man nach Möglichkeiten suchte, diese auch umzusetzen. Die Flugbahn brauchte weitläufige Strecken, um wirtschaftlich zu fahren und Amerika bot weite Entfernungen und finanzkräftige Investoren. Es war Zeit, dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ einen Besuch abzustatten.
Im Februar 1925 setzte Kruckenberg mit der Columbus nach Amerika über. Kaum an Bord, studierte er bereits die moderne Stromlinienform des Schiffsrumpfs, besuchte täglich den Maschinenraum und verbrachte viel Zeit mit den Offizieren des Schiffs, die sich von seinem Wissen über den Schiffsbau beeindruckt zeigten und sich gerne mit ihm austauschten. Das alles brachte ihn zwar auf andere Gedanken, den erholsamen Komfort des Schiffes aber nutzte er nicht.

Nachdem er sein Hotelzimmer im Zielhafen Boston bezogen hatte, ging es gleich hinüber zu den Bahngleisen. Die North Station lag direkt um die Ecke. Kruckenberg war beeindruckt von der schieren Größe der amerikanischen Lokomotiven, der Andersartigkeit ihrer Bauweise und den vorgehaltenen Zuglängen.
Die Züge fuhren auf stählernen, zum Teil auch hölzernen Hochbahnen, die sich durch das Häusermeer schlängelten. Er genoss die Betriebsamkeit am Bahnhof und ließ sich treiben. Er hatte erst in zwei Tagen einen Termin beim Leiter der Entwicklungsgruppe der Boston and Maine Railroad, Henry Carlisle, und daher noch Zeit, die Eisenbahntechnik der einfahrenden Lokomotiven zu studieren.
„Mister Kruckenberg, ihre Pläne sind beeindruckend, alles in allem, sie erfordern immense Investitionen“, war das schonungslose Fazit, das Mister Carlisle zwei Tage später, am Ende des Vortrages für ihn hatte. „Auch wenn unsere maroden Hochbahngleise erneuert werden sollten, eine Suspension Railway ist zu teuer. Ich fürchte, keine Bahngesellschaft in den Vereinigten Staaten kann eine solche Summe für komplett neue Strecken aufbringen. Sie müssen ihren Propellerwagen auf konventionelle Schienen stellen!“

Am Abend, als Kruckenberg ernüchtert in seinem Hotelbett lag, hallten die Worte in seinem Kopf wider: „…den Propellerwagen auf konventionelle Schienen stellen…“
Kruckenberg blieb noch acht weitere Wochen in den USA und reiste mit der Eisenbahn quer durch das riesige Land. Er versuchte die weiträumigen Verkehrssysteme zu studieren und bei Treffen mit den Ingenieuren der verschiedenen Bahngesellschaften die Möglichkeiten seiner Flugbahn zu erkunden. Als er schließlich am 7. Mai 1925 seine Heimreise antrat, war er um viele Eindrücke reicher, doch die Realisierung der Flugbahn schien so weit entfernt wie eh und je. Er war niedergeschlagen, hatte aber erste Zeichnungen eines Propellerwagens auf konventionellen Schienen im Gepäck und konnte endlich den Komfort einer Atlantikpassage nutzen.
Fortsetzung folgt: Letzte Hoffnung Cavembourg
Ein Kommentar zu “Die Flugbahnstory 2: In Amerika”