Die Flugbahnstory 4: Der Prototyp

Sechs Monste später: Es war ein herrlicher Morgen. Die hohen Berge Cavembourgs standen in golden-herbstlichen Farben der Buchen- und Eichenwälder, darüber erstrahlte ein tiefblaues Firmament. Auf dem Betriebsgelände war bereits emsiges Treiben: Lokomotiven standen bereit, man hörte metallisches Hämmern und das Fauchen des Dampfes. Es roch nach Öl. Kohlenrauch kratzte in seiner Nase, als Kruckenberg den Lokschuppen betrat und die Arbeit der letzten Monate betrachtete. „Gesundheit!“, rief es hinter ihm, als er genossen hatte, „und einen schönen, guten Morgen!“ Stedefeld trat zu ihm. „Na, dann wollen wir mal das Kindchen schaukeln!“ Der Prototyp war fertig geworden. In nur 5 Monaten hatten sie einen Hänge-Schnellbahnwagen gebaut, der heute der Weltöffentlichkeit präsentiert werden sollte. Zahlreiche Fotografen und Zeitungsleute waren angereist. Manche weilten schon seit Tagen in der Stadt. Die beiden Ingenieure hatten ihnen Interviews gegeben und ihre Pläne erläutert. Den Wagen aber hatte noch keiner zu sehen bekommen. Das hob man sich bis zum Schluss auf.

Dressler, unter dessen Organisation und Logistik dieses Meisterstück in so kurzer Zeit vollbracht werden konnte, wies gerade einen Lokführer an, den Hängewagen hinaus zu rangieren. Auf zwei Hilfsdrehgestellen zog man ihn auf die Drehscheibe vor den Lokschuppen. Im hellen Morgenlicht glänzte seine weiße Oberfläche. Die beiden Ingenieure betraten damit neues Land in der Fahrzeugtechnik. Die konsequente Leichtbauweise, die innovative, hydraulische Hängevorrichtung und die Stromlinie der Außenhülle hatte ihnen zahlreiche Patente eingebracht. Doch beiden war klar: Der gößte und schwierigste Schritt stand ihnen noch bevor. Ohne den Bau einer Einschienenbahn, blieb der Prototyp nur eine Studie.
Die Zeitungsleute und Fotografen hatten nun reichlich Gelegenheit, den Wagen zu inspizieren.

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Der Prototyp des Einschienen-Hängeschnellwagens von Kruckenberg und Stedefeld auf der Drehscheibe im BW Cavembourg. Angetrieben wird der Propeller von zwei BMW IV Motoren mit jeweils 230 PS über Kardanwelle. Nicht nur der Antrieb mittels Propeller war neuartig, sondern auch die hydraulische Konstruktion der Hängevorrichtung. Durch das ausgeklügelte, hydraulische System war es möglich den Wagen aktiv in Kurven zu neigen. Es sollte ihm auch bei Seitenwinden und hohen Geschwindigkeiten Stabilität verleihen.
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In Kombination mit der konsequenten Leichtbauweise versprach man sich Geschwindigkeiten von über 300 km/h. Sowohl der Propellerantrieb, als auch die Neigetechnik wurden dem staunenden Publikum vorgeführt, indem man die Motoren startete und den Hängearm seitlich ausschwenkte. Da man viele Teile, auch die Motoren, aus dem Prototyp für den Bau des Schienenzeppelins wiederverwendete, wurde der Wagen bald nach der Präsentation komplett zerlegt und nach Hannover verschickt. Er existiert heute nicht mehr.
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Nur die hydraulische Hängevorichtung blieb erhalten und befindet sich im Königlichen Museum für Technikgeschichte Cavembourg. Die Einwohner Cavembourgs sind bekanntlich sehr eisenbahnafin und noch heute stolz auf die damalige Pionierarbeit.

Ergänzungen:
Die Idee einer propellergetriebenen Hängebahn hatte vier Jahre später auch der schottische Ingenieur George Bennie. Er konnte 1929 eine 120 Meter lange Teststrecke samt Fahrkabine errichten: Die „George Bennie Airspeed Railway“. Sie hatte aber nur wenig mit der Kruckenbergschen Flugbahn gemein. So fehlten ihr die Innovationen im Leichtbau, in der Stromlinienform und Aufhängung. Bennies Kabine musste mit einer unteren Führungsschiene stabilisiert werden. Da Bennie seine Bahn aus eigener Tasche finanzierte, war er wenig später bankrott, Sein Railplane kam nie über eine Testphase hinaus. Es ist wenig wahrscheinlich, daß er das Konzept und die Pläne von Kruckenberg und Stedefeld kannte.

Auf Youtube gibt es auch einen ausführlicheren Film über das schottische Railplane

Die Patente für die Kruckenbergsche Hängeschnellbahn sahen so aus:

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Fortsetzung folgt: Der Schienenzeppelin

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