Nach der Verlagerung der Produktion von Panzerzugwagen nach Österreich im Juli 1943, überraschten die deutschen Besatzer die Ingenieure der cavemburgischen Lokomotivbaumanufaktur mit dem Befehl, U-Boote zu entwickeln. Denn die deutschen Eigenkonstruktionen im Kleinst-U-Bootbau („Hecht„, „Molch„.“Biber„) waren für den Kampfeinsatz nur begrenzt geeignet oder sogar ungeeignet und man benötigte dringend frische Ideen.
Hintergrund: Das Deutsche Reich hat erst angesichts der sich verschärfenden Kriegslage und des unvermeidlichen Übergangs in einen Verteidigungskrieg und der drohenden Invasion der Alliierten mit der Aufstellung von Kleinkampfverbänden als Waffe der Überraschung und der Defensive begonnen. 1943 waren die kampfkräftigen Überwasserstreitkräfte der Kriegsmarine fast vollständig ausgeschaltet. Der U-Boot-Krieg war zum Erliegen gekommen. Es musste nach Wegen gesucht werden, um die Seekriegführung wieder zu intensivieren. Kleinkampfmittel wie Zwei-Mann-U-Boote schienen die Lösung.
Bei der Vergabe dieses Auftrages spielte die Klöbensieler-Seerüben-Attacke von 1912 eine gewisse Rolle: Bis heute lebt die Legende, dass ein U-Boot am 15. April 1912 versehentlich den Passagierdampfer Titanic versenkte. Diese Geschichte bezweifeln zurecht einige Historiker, doch das Deutsche Kaiserreich, auf das der Verdacht fiel, dementierte die U-Boot-Geschichte nie wirklich. Zum Teil wohl aus dem Kalkül heraus, daß ein U-Boot mit solch seetauglichen Leistungen im Jahr 1912 eine gewissen Reputation hervorrief, die man dem Kaiserreich durchaus zubilligte. Dass beim Untergang des Schiffes der beliebte cavembourgische König Karl I. verstarb, war ein Detail, das bei der anschließenden Legendenbildung um einen Eisberg, den halbherzigen Dementis des Kaiserreichs und schließlich mit den zeitgenössischen Berichten um die aufstrebende Technologienation Cavembourg und ihrem König, eine Gemengelage bildete, die die Deutschen schließlich veranlasste zu glauben, wenn nicht sie selbst, dann hätte nur Cavembourg 1912 so ein seetaugliches U-Boot bauen können. Das Renommee der Lokomotivbaumanufaktur tat ihr übriges.
Alle Bedenken und Argumente der cavembourger Ingenieure halfen nicht. Die Lokomotivbauer sollten an ihre angebliche „großartige Bootsbautradition“ anknüpfen und hatten nun, „Befehl ist Befehl!“, U-Boote zu entwickeln. Und diese mussten (Cavembourg liegt bekanntlich fernab der Küste) auf Schienen transportabel sein. Auch auf Grund dieser Anforderung kamen nur relativ kleine Boote in Betracht.
Am einfachsten schien es den Lokomotivbauingenieuren, die bewährte Konstruktion großer U-Boote auf die Dimensionen der Kleinst-U-Boote zu übertragen. Nach intensivem Studium im U-Bootbau, konstruierten sie innerhalb eines Jahres zwei verschiedenen Prototypen, die man in einem aufgestauten Waldsee vor Ort erprobte, dabei intensive Tauchtests durchführte und schließlich im März 1944 auf Eisenbahnwagen verlud.

Der erste Prototyp „Seehund“ ging in die Howaldtswerke nach Kiel. Bis 1945 baute man dort 285 Exemplare der „Seehund“. Die erste Produktionscharge von 10 Booten traf bereits im Juli 1944 im niederländischen Ijmuiden ein, das der Heimathafen der Seehundflottille werden sollte. Hier fanden erste Testfahrten auf offenem Meer statt. Die zukünftigen „Seehund“-Besatzungen übten noch in Neustadt (Hollstein) mit der deutschen U-Boot-Entwicklung „Hecht“.
Der zweite Prototyp „Seeteufel“ war ein amphibisches Fahrzeug, das auf Gleisketten selbstständig vom Transportwagen herunter übers Ufer ins Wasser fahren konnte. Man war damit nicht mehr auf Hafenanlagen mit Hebeanlagen oder einen Kran angewiesen. Die operative Einsatzplanung erweiterte sich damit erheblich. Die Seeteufel konnte auch auf dem Meeresgrund fahren und 2 Torpedos bzw. 2 Seeminen transportieren. Der cavembourger Prototyp kam in die Borgwardwerke nach Bremen. Zu einer Serienproduktion und einem Fronteinsatz kam es nicht mehr.


In Österreich angekommen, versetzte Grottlers Widerstandsgruppe (er selbst blieb untergetaucht in Cavembourg, da nach ihm in der Zwischenzeit intensiv gefahndet wurde) die D311.01 optisch in einen scheinbar erbärmlichen Zustand und verbrachte sie auf ein Abstellgleis mit zur Ausschlachtung vorgesehenen Reichsbahn-Lokomotiven. Nach dem Krieg reaktivierte Grottler (der 1947 zurück nach Österreich ging und die Stelle des Abteilungsleiters der Bundesbahnabteilung „Infrastruktur und Fahrzeuge“ bei der ÖBB angenommen hatte) die D311.01 und überstellte sie ins BW Linz. Die ÖBB setzte die Lok bis zu ihrer Ausmusterung 1973 im schweren Güterzugverkehr in Vorarlberg zwischen Reuthin, Bregenz und Bludenz ein.

Hinweis zum Film: Ein Beitrag über die U-Boot-„Wunderwaffen“ sollte ursprünglich auch in die Deutsche Wochenschau. Warum man davon Abstand nahm ist nicht überliefert. Denkbar wäre, daß man damit indirekt zugegeben hätte, daß das prestigeträchtige Sondergeschütz „Dora“ nicht mehr im Einsatz war, da die dazugehörige Lok offenbar für andere Aufgaben Verwendung findet. Oder daß man ahnte, mit der Bezeichnung „Wunderwaffe“ verbindet man gewöhnlich etwas Beeindruckenderes und die Kleinst-U-Boote propagandistisch nicht viel hermachten. Wie dem auch sei: Es sind ein paar rohe, zum Teil unbearbeitete, nie veröffentlichte Filmaufnahmen und kurze Ausschnitte erhalten geblieben, die den Transportzug mit den U-Booten in Cavembourg zeigen. Außerdem das Entladen in Ijmuiden, die Erprobungsfahrten und sogar Unterwasseraufnahmen. Die letzen Ausschnitte verwendete man später in einer amerikanischen Dokumentation, die man heute z.B. auf youtube ansehen kann.
Ein U-Boot der Seehundklasse wird noch eine wichtige Rolle in unserer Geschichte spielen: Während einer Erprobungsfahrt im August 1944 kaperten und entwendete eine Gruppe Widerstandskämpfer eine „Seehund“ vor der niederländischen Küste – Beginn der Operation „SoftDrive-Sinus“ – Aber davon später…
Die vermeintlichen „Wunderwaffen“ hatten keinen Effekt auf den Kriegsverlauf. Wunderlich bleibt an diesen Waffen jedoch, wie ein Stück Seemannsgarn zur Legende reifte und die deutschen Besatzer die Ingenieurskünste und das Know-how der renommierten Königlichen Lokomotivbaumanufaktur mit dem Bau zweier Kleinst-U-Boote verwendeten.
Literatur: Im Kleinst-U-Boot von Werner Schulz, Brandenburgisches Verlagshaus
Fortsetzung folgt: Megalomanisches Spielzeug
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