Neben der wahnhaften Architektur seines „1000jährigen Reiches“, hatte der deutsche Diktator eigene Vorstellungen einer Eisenbahn „um die Weite des eurasischen Raumes zu erschließen“: Die Breitspur-Kontinentalbahn.
Seine Idee war nicht neu, Franz Kruckenberg hatte das Konzept einer Breitspur-Hochgeschwindigkeitsbahn (Spurweite 4000 mm) im Jahr 1934 bereits skizziert und bei einem Treffen mit Hitler vorgetragen. Der strenge Winter 1941/42 und die katastrophale Transportsituation an der Ostfront, veranlassten den Gröfaz die Idee wieder aufzugreifen.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich seine Phantasie entfesselte und er das Projekt zu einem Netzwerk von Breitspurbahnen anschwellen ließ, das sein Großdeutschland und die Satellitenstaaten verbinden und der „Beherrschung des Raumes im Osten“ dienen sollte. Ein Integrationsinstrument seines Imperiums, das nichts mehr mit dem Schnellbahnkonzept eines Kruckenberg gemein hatte:
Das Fassungsvermögen eines Frachtschiffes und die Geschwindigkeit eines Flugzeuges, auf einer Spurweite von 4000 mm (später 3000 mm), mit breiten, doppelstöckigen Personenwagen, samt Kinosaal, Schlaf- und Wohngelegenheiten, 400 m Zuglänge und einer Geschwindigkeit von 250 km/h, von Brest am Atlantik bis nach Wladiwostok am Pazifik, von Hamburg bis nach Konstantinopel – so lauteten die Vorgaben.

Die Nationalsozialisten waren sicher, mit der cavembourgischen Lokomotivbaumanufaktur die besten Köpfe und Ideen für die Konzeption und Planung dieser Breitspurbahn gefunden zu haben und bildeten eine Planungskommission um den cavembourgischen Chefingenieur Bruno Jabelmann. Sie sollte erste konkrete Pläne und Entwürfe anfertigen.
Hintergrund:
Bruno Jabelmann war der jüngere Bruder von Otto Jabelmann, den wir bereits durch das Foto und das Zusammentreffen mit Königin Siegfriede auf ihrer Reise durch die USA kennen. Otto und Bruno waren Söhne bayrischer Auswanderer in Amerika. Otto, geboren am 24.Juli 1891 in Cheyenne, Wyoming, studierte an der Universität von Michigan Maschinenbau und machte dann eine Karriere bei der Union Pacific Railroad (UP) – Wir werden später noch mehr über ihn erfahren.
Bruno, geboren am 6. August 1899, ebenfalls in Cheyenne, verließ die Highschool mit 18 Jahren ohne Abschluss. Technisch begabt, schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch. Als Matrose, Maschinist und Heizer auf Schiffen und Dampflokomotiven reiste er durch Asien und Europa, 1921 kam er nach Cavembourg und blieb. Er holte seinen Abschluss nach und studierte an der Technischen Hochschule Lokomotivbau. Bei der SRCF wurde er 1939 schließlich Chefingenieur in der Königlich-cavembourgischen Lokomotivbaumanufaktur.
Beide Brüder hatten großen Einfluss auf die Entwicklung der stärksten Dampflokomotiven der Welt, aber davon wird später noch ausführlich berichtet….
Jabelmann war zunächst froh, das U-Boot-Projekt seinen Kollegen überlassen und sich wieder der Eisenbahntechnik zuwenden zu können, doch holte ihn bald die Realität und die Ernüchterung ein: Nach sechs Monaten Arbeit äußerte er in einem ersten Bericht massive Bedenken bei der Umsetzung der Breitspurbahn und lehnte das Vorhaben mit der Begründung ab, daß „alle geforderten Transportaufgaben schon heute mit der normalen Bahn zu bewerkstelligen seien“, die „Nachteile von zwei Bahnsystemen die Vorteile der Breitspurbahn bei weitem überwiegen“ und „Abgesehen von der Schwierigkeit, so viele Innovationen in so großem Maßstabe zum Funktionieren zu bringen, und dem besonderen Anspruch im eisenbahnerischen Umfeld, das eine äußerst robuste Konstruktion erfordere, zu genügen, sind die Ressourcen für die Einrichtung einer Infrastruktur schlicht nicht verfügbar – auch nicht nach Ende des Krieges“. Jabelmann schlug vor, statt in „Spielzeug der Megalomanie“, besser „in leistungsfähige Güterzuglokomotiven nach amerikanischem Vorbilde zu investieren“ (wobei er sicher an die Konstruktionen seines großen Bruders dachte und ihnen nachstrebte). Er kritisierte in seinem Bericht nicht nur das projektierte Vorhaben, sondern empfahl, das Breitspurprojekt solle „von deutschen Eisenbahnunternehmungen fortgeführt werden, die mit derart Komplexen Erfahrung haben“.
Trotz seiner ablehnenden Haltung nahm Jabelmann die Gelegenheit wahr und experimentierte mit einem neuen Antriebskonzept für spätere Breitspurlokomotiven. Vordergründig weil er davon aus ging, daß Lokomotiven in den Größenordnungen der Breitspurbahn kaum wirtschaftlich mit herkömmlichen Betriebsmittel, wie Kohle oder Diesel bewegt werden konnten (Hitler lehnte elektrische Eisenbahnen ab, da Oberleitungen das Schussfeld von Flakwagen einschränkten), hintergründig ging es Jabelmann um die Erprobung einer neuen Antriebsart im Lokomotivbau: Der Gasturbine. Ohne das Breitspurprojekt hätte er in Kriegszeiten nie die Gelder und Genehmigungen für derartige Forschungen erhalten. Nun war es ihm möglich eine „Studie zur Breitspurbahn“ als Experimentalaufbau für eine Gasturbinenlok zu realisieren.
Als Hitler von der Experimentallok für seine Breitspurbahn erfuhr, ließ er die fertig gestellte Lokomotive nach Berlin kommen, wo sie ihm von Albrecht Speer in einer aufwendigen Inszenierung präsentiert wurde. Mit verspiegeltem Boden und Lichteffekten sollte eine Art „Lichttempel“ entstehen, um die zukünftige „Erhabenheit der Deutschen Breitspurbahn erahnbar“ zu machen.
Reichsmarschall Hermann Göring, Modelleisenbahner und bekennender Liebhaber operettenhafter „Uniformen„, hatte aus diesem Anlass für das Lokpersonal entsprechende Dienstkleidung entworfen. Im Anschluss der Präsentation erkor Göring die Lok zur offiziellen „Führerhauptlokomotive“, womit auch über ihren zukünftigen Standort entschieden war. Die Lok verblieb in einem Depot in Berlin Spandau und Bruno Jabelmann musste auf seine Experimentallok verzichten.


Das Projekt Breitspurbahn ging nach dem vernichtenden Urteil Jabelmanns zurück ins Reichsbahn-Zentralamt. Obwohl relativ wenig bekannt, wurde die Breitspurbahn zu Hitlers größten Obsessionen, mit denen er sich beschäftigte, selbst als Granaten und Bomben Berlin in Schutt und Asche legten. Hitler trieb das Projekt voran und ermöglichte den deutschen Ingenieuren, die nach Abschluss der Konstruktion der Kriegslokomotiven Gefahr liefen, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden, sich einem neuen Betätigungsfeld zu widmen. Und das von höchster Stelle berufen. Hunderte Ingenieure entwarfen zahllose Details, die alle Aspekte abdeckten und von Schienenbefestigungen bis zur Innenausstattung von Speisewagen reichten. Nach Kosten und Nutzen fragte längst keiner mehr.
Realisiert wurde die Breitspurbahn (bis auf die Experimentallok auf Normalspur) nie und Bruno Jabelmann blieb trotz seiner offenen Worte Chefingenieur in der Königlichen Lokomotivbaumanufaktur.

Fortsetzung folgt: Kriegslokomotiven – eine kleine Exkursion
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