1. Weltkrieg Teil 7: Isolde Fischer, 17 Jahre alt, Bewohnerin von Montcave, erzählt:

„Ich erwachte von Motorenlärm, begleitet vom lauten Rufen meiner Nachbarin Käthi: „Isolde“ rief sie von der Treppe unten „Die Allemands sind da! Pack les enfants und tres vitte zur Eglise‘!“ Ich sprang aus dem Bett und lief zu den Kindern in die Kammer hinüber, die bereits am Fenster standen und hinunter auf die Straße schauten. Soldaten mit Gewehren gingen in jedes Haus und scheuchten die Leute nach draußen. Gleich würden sie bei uns sein.
„Schau mal, Isold‘, da sind Chasseurs uff der Straß‘“ begrüßt mich Klein-Pierre und zeigte aufgeregt nach unten „und eine canon haben sie mitgebracht!“ Ohne aus dem Fenster zu blicken erwiderte ich „Das sind keine Jägersleut´sondern Soldaten und die komm‘ gleich die escalier rauf, vitte, vitte, zieht euch was über!“ Hastig griff ich in die Kleidertruhe und zog zwei wollene Überzieher heraus, die ich den beiden Kleinen über die Köpfe zog. Schon hörte ich die Tür und schwere Stiefel auf der Treppe. „Heda, raus aus dem Haus!“ rief ein Mann und trampelte die Stufen nach oben. Wir begegneten uns am Treppenabsatz „Was ist los?“ fragte ich und erschrak, als ich diesen jungen Burschen in seinem Soldatenwams sah. Er war kaum älter als ich, schien ausgezehrt und seine müden Augen zeugten von zuviel Krieg und Leid. „Keine Zeit zum Fragen, raus mit euch zum Kirchplatz!“ polterte er. Schon war er an uns vorbei und riss die Türe zu meiner Kammer auf. „Wohnt da noch wer?“ rief er hinter uns her, aber wir waren schon die Treppe herunter. Draußen dann sah ich die „Kanone“, von der Klein-Pierre gesprochen hatte. Ein dröhnendes Ungetüm, auf zwei Ketten fahrend, mit rechts und links Schießscharten aus denen Kanonenläufe ragten. Eine fahrende Festung, riesengroß! Plötzlich bekam ich wirkliche Angst. Alles war in heller Aufregung, die Leute liefen zur Kirch‘ und viele hatten, wie ich, kaum etwas an.“

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Foto: Isolde Fischer mit ihren Geschwistern Claire und Pierre vor ihrem Elternhaus in Montcave 1920.
Nach dem Tod der Eltern 1917 kümmerte sich Isolde allein um den Hof und die beiden Jüngeren. Sie lebte bis 1980 in Montcave und starb 1992 in einem Pflegeheim in Cavembourg/Stadt. Ihre Tagebücher veröffentlichte ihr Bruder Pierre Fischer 1995 unter dem Titel „Cavembourg – mein Leben im Paradies“. Darin werden neben den Erlebnissen während der beiden Weltkriege auch das dörfliche Leben im Königreich (das nicht immer paradiesisch war!) beschrieben.

Fortsetzung folgt: Der 1. Weltkrieg Teil 8: Drei Überraschungen in Montcave

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