Die Marzipankrise 1950

Hintergrund: Marzipanerz ist ein aus der Erdkruste bergmännisch abgebautes Mineralgemenge mit einem erhöhten Anteil an Prunus dulcis Sedimentgestein. Nach einem aufwändigen technischen Verfahren zur Trennung, Reinigung und Veredelung produziert man daraus Edelmarzipan, Persipan (bei einem erhöhten Anteil an Marillenstein), und andere Nebenprodukte.

Marzipanerzvorkommen in Europa beschränkten sich bis in das Jahr 1946 auf wenige Regionen in Estland, Polen und Deutschland. Hier vor allem in der Region Sanderland und Kellertaunus, mit den bis dahin größten europäischen Vorkommen.

Bis auf die Oberhessische Weich- und Hartsteinwerke in Sistenix (Kellertaunus), die F.U.C.K.-Werke und der Mazip in Neu-Sellingen (Sanderland) konnte sich eine industrielle Produktion in den europäischen Abbauregionen jedoch nicht durchsetzen. Edelmarzipan war ein wertvolles Produkt, das größte handwerkliche Sorgfalt bei der Gewinnung, der Veredelung und dem Transport verlangte. Darum wird in allen europäischen Marzipanregionen die Marzipansaison von traditionellen, folkloristischen Feierlichkeiten im Spätherbst begleitet. Die berühmten Eisenbahntransporte des Marzipans (Marzibahn) spielen dabei eine wichtige Rolle.

Als 1946 Geologen große Vorkommen an Marzipanerz in den Bergen im Norden des Königreiches Cavembourg, rund um das Städtchen Napfen, entdeckten, änderte das den Weltmarzipanmarkt und den traditionellen Marzipanabbau schlagartig und für immer.

Foto: Der erste cavembourgische Marzipanstollen. Die Bergmänner der Explorationsgruppe posieren mit einer Lore gefüllt mit cavembourgischem Stollenmarzipan. Der Abbau erfolgte anfangs noch von Hand. Heute erfolgt der Abbau unter Tage mit modernen Schrämmaschinen.

Die cavembourger Vorkommen versprachen ein gigantisches Reservoir und Marzipanflöze mit einer Mächtigkeit von 3 Metern in mehreren Schichten.
In wenigen Jahren entwickelte sich ein industrieller Abbau, der nichts mehr mit den traditionellen Abbaumethoden des althergebrachten Marzipanschürfens gemein hatte und eher mit dem Bergbau der umliegenden Kohle- und Stahlreviere in Luxemburg und dem Saarland vergleichbar ist. Das Stollenmarzipan aus Cavembourg überflutete den Weltmarkt, die Preise fielen und die traditionellen Marzipanzechen vor allem in Deutschland, drohten unlukrativ zu werden und kämpften um ihre Existenz.

Im Frühjahr 1950 kam es zur sog. Marzipankrise, in deren Folge sich die deutschen Zechen zur „Deutschen Marzipanunion“ zusammenschlossen um sich gegen die drohende Monopolisierung auf dem Weltmarzipanmarkt zur Wehr setzen zu können. Die Deutsche Marzipanunion forderte hohe Einfuhrzölle für cavembourgisches „Industriemarzipan“ und initiierte eine beispiellose Marketingkampagne, die das billige cavembourgische Marzipan als minderwertig und sogar gesundheitsschädlich anprangerte (was nicht der Wahrheit entsprach).

Foto von 1951: In den Anfangstagen des cavembourgischen Marzipanbergbaus transportierte man den Stollenmarzipan in einfachen Eisenbahn-Loren zum Hochröster. Hier in einem Wagon der Niederegger Marzibahn. Die BR 71 004 ist in Cavembourg als Verschublok eingesetzt. Während in Deutschland die anderen fünf Exemplare der Baureihe 71 nach ihrer Ausmusterung 1956 verschrottet wurden, blieb die 71 004 im Königreich erhalten.
Foto: Einen Stich ins Fleisch der cavembourgischen Marzipanindustrie gelang der Deutschen Marzipanunion mit diesem großflächigen Plakat an einer Häuserwand in Sichtweite des Bahnhofs der Landeshauptstadt.
WerbePlakat: Esst keinen Industriemarzipan…

Fortsetzung folgt: Von der Marzipan- zur Montanunion

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